Redaktionelles Konzept

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Redaktionelle Eigenheiten und welthistorischer Kontext

Am Beispiel einiger der bedeutendsten Chef- und verantwortlichen Redakteuren, deren Verdienst die Redaktionpolitik der Zeitschrift ist, kann man die Orientierung von Letopis Matice srpske auf das für die Entwicklung der serbischen Literatur und Kultur notwendige Kreieren des welthistorischen, kulturellen Kontexts sehen. Georgije Magarašević, Intellektueller aufklärerischer Orientierung, Lehrer und Autor von Lehrbüchern, der die allgemeine Weltgeschichte bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts schilderte, war Gründer und im Zeitraum von 1824 bis 1830 der erste Redakteur der Zeitschrift. Er gründete Letopis, beschrieb die generelle Ausrichtung der Zeitschrift, war Redakteur von den ersten 20 Heften (1825-1830) und erläuterte im ersten Heft das Wesen der Hauptrubriken. Man glaubt, dass mehr als die Hälfte des Inhalts dieser Hefte von Magarašević selbst stammt (originelle Beiträge, wie z. B. die bedeutungsvollen „Pisma Filoserba“ und Übersetzungen vor allem von Gessners Idyllen). Die Rubrik „Smesice“ schrieb er selber. Jovan Hadžić war von 1830 bis 1831 Redakteur bei Letopis. Er war Dichter des Klassizismus (er veröffentlichte unter dem Namen Miloš Svetić), Jurist und Essayist, außerdem Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuches für das Fürstentum Serbien (1842), womit er einen großen Beitrag für die Europäisierung des serbischen Rechtssystems leistete. Er hielt sich an das alte Programm, änderte nur die Klassifizierung (Rubrizierung) der Artikel und das Adjektiv im Titel: aus Сербска wurde Сербскій. Teodor Pavlović war von 1832 bis 1841 Redakteur der Zeitschrift. Er war Initiator mehrerer Blätter und einer der wichtigsten Urheber der Presse und des Medien-Lebens in der serbischen Kultur. Letopis wurde offen für die Einflüsse der Volkspoesie, die Nationalisierung der serbischer Literatur und die Tendenzen der Romantik in ihr. Im Zeitraum von 1842 bis 1847 und von 1850 bis 1853 war Jovan Subotić Redakteur bei Letopis. Er war Schriftsteller der Vorromantik, Rechtsanwalt, Politiker, Dichter, Erzähler, Dramatiker. Er ist auch Autor der Grammatik der serbischen Sprache und einer ernsten Studie über die Natur des serbischen Verses und der Versifikation. In Letopis veröffentlichte er viele Beiträge in allen Rubriken: große Materialien über die Ereignisse der Jahre 1848-1849, Dokumente aus älteren Zeiten, Erzählungen, Übersetzungen, polemische Beiträge, Kritiken, literaturhistorische Überblicke, Studien über Verse der Volkspoesie und Autorenpoesie, Artikel über Bräuche. Der berühmte Romancier Jakov Ignjatović war von 1854 bis 1856 Redakteur bei Letopis. Dank seiner Beschreibung des Lebens des serbischen Volkes im mitteleuropäischen, pannonischen Raum wurde der Roman das führende Genre in der Epoche des serbischen Realismus. In Letopis veröffentlichte er Dokumente aus der Geschichte von
Sankt Ändra - Vorher
Sankt Ändra - Jetzt
, seine Sicht auf die Geschichte des serbischen Volkes, Versuche über den Zustand der serbischen Literatur und den historischen Roman Đurađ Branković. Jovan Đorđević war von 1858 bis 1859 Chef- und verantwortlicher Redakteur bei der Zeitschrift. Er spielte als Gründer von den ersten professionellen Theatern, dem
in Novi Sad und dem
in Belgrad, eine großer Rolle in der serbischen Kultur. Er ist Verfasser der serbischen Nationalhymne Bože pravde, Autor des auch heute noch relevanten lateinisch-serbischen Wörterbuchs und war langjähriger Lehrer der Großen Schule in Belgrad. Er gestaltete Letopis auf folgende Weise neu: der Titel wurde nicht mehr nach slawischer Rechtschreibung geschrieben, einige Buchstaben wurden ausgelassen. Antonije Hadžić war am längsten (1859-1869, 1876-1895) Redakteur bei Letopis. Dieser Enthusiast hat großen Verdienst an der Tätigkeit zweier bedeutender Institutionen – der
und des
. Zu seiner Zeit zog Matica srpska aus
Pest - Vorher
Budapest - Jetzt
nach
Novi Sad - Vorher
Novi Sad - Jetzt
(1864) um und im Jahr 1865 erschien das erste Heft von Letopis in Novi Sad. Seine editorialen Artikel in Letopis beziehen sich mehr auf die Geschichte der Matica srpska als auf Letopis.
Jovan Bošković, Slavist und Philologe, langjähriger Lehrer an der Großen Schule in Belgrad und Sekretär der Serbischen Gelehrtengesellschaft war von 1870 bis 1875 Redakteur bei Letopis. Milan Savić, auf der Bühne des Serbischen Nationaltheaters gern aufgeführter Dramatiker, Erzähler, Kritiker, Essayist, außerdem Übersetzer (unter anderem) von Goethes Faust war von 1896 bis 1911 Redakteur der Zeitschrift. Unter seiner Leitung vereinte Letopis literarische (belletristische) und wissenschaftliche (historische, philosophische) Beiträge. Tihomir Ostojić, bedeutender Literaturhistoriker positivistischer Orientierung, Kulturhistoriker und Musikologe war von 1912 bis 1914 Redakteur bei Letopis. Die Zeitschrift bekam neue Rahmen, ihr Themengebiet wurde verbreitet und modernisiert. Vasa Stajić, Historiker und gründlicher Archivforscher, Literatur- und Kulturhistoriker war 1921 und 1936 Redakteur der Zeitschrift. Marko Maletin, Bibliograf, Kultur- und Theaterarbeiter war von 1923 bis 1929 Redakteur bei Letopis. Radivoje Vrhovac, Slavist, Lehrer und langjähriger Direktor des Karlowitzer Gymnasiums war im Jahr 1930 Redakteur der Zeitschrift. Er entwickelte die Idee der Einheit der jugoslawischen Kultur als Kultur der jugoslawischen Nation (damals änderte das Land den Namen in Königreich Jugoslawien). Wonach sollte Letopis sich sehnen: statt nationaler (serbischer) Orientierung wird Jugoslawismus propagiert. Todor Manojlović, Avantgarde-Dichter, Dramatiker, Essayist und Kritiker war 1931 Redakteur; Žarko Vasiljević, Dichter und Theaterarbeiter im
im Jahre 1932; Nikola Milutinovć, Kulturarbeiter in den Jahren 1933-1935 und 1936-1941.

Im sozialistischen Jugoslawien wechselten sich verschiedene, aber fachlich nahestehende Redakteure ab. Živan Milisavac, Literatur- und Kulturhistoriker war von 1946 bis 1957 Chef- und verantwortlicher Redakteur; Mladen Leskovac, Literaturhistoriker, Essayist und Dichter, Gründer der Philosophischen Fakultät in Novi Sad und einer der Gründer der Universität Novi Sad war von 1958 bis 1964 Redakteur; Dimitrije Vučenov, Literaturforscher und Universitätsprofessor von 1974 bis 1979. Zwei große Prosaiker und Romanciers, Dichter, Essayisten und Übersetzer Boško Petrović und Aleksandar Tišma kümmerten sich in den Jahren 1965-1969 und 1969-1973 in der Zeit der Neomoderne um die Redaktion von Letopis. Aleksandar Tišma war lange für die populäre Rubrik „Listajući časopise“ zuständig. Im Ambient des sozialistischen Jugoslawiens, in der Zeit aktiven Wirkens der Neo-Avantgarde und der Postmoderne (1980-1991) war der Dichter und Schriftsteller Boško Ivkov Redakteur. Im Zeitraum der Transition waren Literaturforscher, Universitätsprofessoren und Schriftsteller Slavko Gordić (1992-2004), Ivan Negrišorac (2005-2012), Slobodan Vladusić (2013-2016) und Đorđe Despić (2017-2020), danach die Dichter Đorđo Sladoje (2021-2023) und Selimir Radulović (seit 2023) Redakteure bei Letopis.

Alle diese und noch einige hier nicht erwähnte Redakteure haben jeder auf seine eigene Weise aber ohne Zweifel auf den Seiten von Letopis Matice srpske unauslöschliche Spuren hinterlassen. Sie haben dazu beigetragen, dass die Tatsache, dass die serbische Literatur tief und fundamental mit anderen Literaturen und Kulturen verbindet ist, nie außer Sicht gelassen wird. Denn nur in europäischer und Weltliteratur kann die serbische Literatur allgemeinere Kriterien für die Prüfung eingener Werte finden und diese Wahrheit hat die Zeitschrift Letopis während ihrer zweihundert Jahre langen Dauer gepflegt und entwickelt.